Lyrik|Text


 

 

Nahm ich mir…

Und als der Schenkel blutete
Ja- als am Hals die Wunde klaffte
Offen
Als alle Stricke rissen
Da nahm ich mir sie
Nahm ich mir nun Dienstags immer
Und auch andernfalls öfter
Nahm ich mir
Ich nahm mir Zeit

 



ich bin im Laden

brüchig waren sie seit langem
die türme die gefallen sind
bestürzt nun klagen schallen
durch den dunklen medientann

im busch der gerechten ertönt die
macht-angst-verschleierungs-ballade
jammerschade

geächtet die, die kritisches verlauten lassen
wer aufwickert wird geschotet
sofort mundgetötet wer nicht einig mit den guten tutet
und ob man wirklich richtig steht
sieht man wenn das licht ausgeht

falls mich jemand suchen sollte
ich bin im Laden.

 

 

 

 

Das vielgerühmte Notsignalgerät

Hackedicht lag ich im Strassengraben,
Erbrochenes im Angesicht
und in den Haaren, blutverschmiert,
sass eine Zecke, gierend nach dem roten Saft,
der klaffend, spritzig über ihre Lippen floss.
Vom Regen völlig durchgeweicht,
von aller Welt verlassen,
mein Körper einer Kröte glich,
einer von dieser giftgen Sorte,
mit rotem Kopf und weissem Strich.

In wirren Gängen der Gedanken,
vom Alkohole inszeniert,
entsprang dennoch, gottlob, ein klarer Geistesblitz,
der mich bewog, zu einem Hilferuf der Tasten.
Doch als ich meiner Jackentasche
das vielgerühmte Notsignalgerät entzog,
bemerkte ich zu meinem Nachteil,
die Akkumulatoren waren tot.
Und bald darauf,
die Zecke war zu einem grossen Ball mutiert,
da starb auch ich, -verbittert und frustriert.




Maientanz

Kurzelgepurzel über dem Asphalt
und Querzelgeperzel im Genick,
mit ganzer Kraft zur Selbstgewalt,
mit halber Kraft ins jehe Glück.

Kriselgepisel in der Gosse
Lippelgetippel im Zimmer,
wer nicht gut beraten ist,
der lernt das Ganze nimmer.

Jubelgetrubel im Zelt vernommen,
vielerlei Geschichten.
Bin auf die Idee gekommen,
diesmal nichts dazu zu dichten.

Ja, statt dessen Lebertran
für dergleichen Grössenwahn
und in einer Untertasse
fliegen auf die falsche Bahn.

Lorchet den Hängen,
tobet den Merrn,
schlachtet Euch alle,
doch bleibet mir fern.

Als nächstes wird gejammert
und später pusten wir.
Es wird heut nicht geklammert,
sechs minus drei sind vier.

Dies ist das allerletzte Ende,
selbst dieses kommt zu spät.
Zu spät zum Zeitenpunkt der Wende,
der keinen Schabernack versteht.

Halt!- Einmal noch will ich mich räuspern,
ja zweimal noch hab ich das Wort.
Beim dritten Male will ich schweigen,
behände schreit ich in mein Grab,
Ihr habt mich los, ich bin dann fort.




Genuesische Gedanken am Rande

Sie trafen sich, um in verschiedenen Grüppchen eigene Süppchen zu kochen. Es galt die Ordnung zu verschärfen, die wahre Herkunft zu vertuschen und kleine Klüngeleien zu vergrössern. Humanitäre Charaktermasken wurden angelegt, atavistisch wurden die Prologe protokolliert, um dem Bürgertum zu berichten, dem Mopp der  Strasse einzuflössen, was ihm gebührt. Symbolpolitische Gesten wurden gemeinsam geübt und jeder Teilnehmer erhielt einen kapitalen Unterdrückercocktail.
Gut, dass vorher nachgesorgt wurde mit konsequent durchgreifenden Leibeigenen, ansonsten wäre ihr Schiff auf ein Riff gelaufen;  mitsamt dem Hummerdreck.
Nebenbei hingehorcht hörte ich sie sagen: „wir sollten diesem Toten eine Sekunde des Schweigens schenken…, hoch die Gläser, unser Werk ist bald vollendet, -dann wenn jeder Hirn uns spendet!“




die mägen ganz mau…

regenmassen prasseln
prasselmassen regnen
regenprassel masselt
masselregen prasselt.
prasselregen ergiesst sich
giesst vom himmel runter
vermasselt uns das grillen
vergrillt uns das masseln.
steak und wurst die haben durst
schwimmen nun in saurer sosse
sossen nun in saurer schwimme
sauern im grill während wir trauern
trauern um die gute wurst
das prächtige steak
wurstiges prächt, steakiges trau
die mägen ganz mau
schnell die stuhlbezüge retten
wurst muss erstmal warten
und fürs steak wars auch schon spät
regengau im garten




Brutus

Die Badesaison hatte wiedermal begonnen. Ich packte meinen Badeanzug, meine Badematte und ein Buch in den Beutel, um mich ein bisschen am nahegelegenen Bach zu bräunen. Die Blumen blühten, von Weitem konnte man die braunen Berge begutachten. Die Böschung hinunter steigend, liess ich mich blitzschnell am Bachrand nieder, zog meine Bluejeans und die Bluse aus, machte es mir endlich mal wieder bequem. Die Sonne blitzelte mir entgegen, die ganze Bürde des Alltags im Büro schien vergessen.
Eine Zeit lang fühlte ich mich unbeobachtet, merkte aber plötzlich, dass sich etwas hinter dem Busch bewegt. Blitzschnell bedeckte ich mit dem Badetuch meine Brüste. Ein Bursche trat hervor. „Brutus ist mein Name, schöne Bescherung hier !“- Ich fühlte mich bedroht, seine Stimme hatte etwas Brüskierendes. „Ich heisse Barbara und möchte keinen Beischlaf, bemühen sie sich nicht!“ – Bestürzt über meine Bezichtigung suchte er beleidigt das Weite. Ich hatte dem Boy eine Bresche geschlagen, mich aus einer Bredouille befreit.




Ulenspiegels Spiegelbild

Till lief des Nachts einmal zum Brunnen.

Mit Holzbottich und einem Seil
stieg er hinunter in den Teil,
der in der Dürre dieses Sommers
noch kleinwenig von dem besaß,
was Till ersehnte, kühles Nass.

Doch was erblickte Ulenspiegel?
Nicht mal für einen kleinen Tiegel
war diese unnützbare Pfütze zu gebrauchen.

Der Mond begann indes,
das steinerne Gebälk
in einen silbergüldnen Schein zu tauchen,
als Till ein ebensolches Licht im Kopfe spürte
und in der Lache trat ganz plötzlich
des Ulenspiegels Spiegelbild ins Spiel.

Dies trank mit einem Halm aus Stroh,
im Nu das ganze Rinnsal einfach leer.

Obgleich der Geistesblitz doch eben noch
aus Ulenspiegels Hirn entsprungen,
war es dann schneller doch
dem Spiegelbilde Tills gelungen!




Alles Gute kommt von oben

An einem regnerischen Nachmittage
stellte Ulenspiegel sich die Frage
wen er denn nur bei diesen Tropfen,
mit seinen Streichen könne klopfen.

Nach intensivem Denken nun
und keiner Menschenseele weit und breit,
fiel`n seine Blicke auf ein Huhn,
das in der Ecke neben dem Kamin,
verweilte mit Gelassenheit.

Wohl hatte sich das Huhn verirrt,
denn eigentlich war angestammt
sein Platz im Stalle,
dort wo hoheitlich mit rotem Kamme,
ein stolzer Hahn das Zepter führt.

Dieser hatte sich denn wohl verzählt,
als er, wie sonst bei solchem Wetter,
die ganze Hühnerbande mit Gezeter
in seinen überdachten Bau getrieben,
damit sie ihn, der Reihe nach,
mit Haut und Federn innig lieben.

Dem Hahn mit seiner Liebestollerei,
dem werd` ich`s zeigen, dachte Till
und lief geradewegs mit einem Sack zur Tür hinaus,
schnurstracks hinüber in das Nachbarhaus.

Im Stall des Gegenüber eingetroffen,
steckt er die ganze Hühnerbande
in seinen Sack, dem Hahn zur Schande,
denn dieser schlafend auf der Stange sitzt
und nicht bemerkt, dass Till stiebitzt.

Im eig`nen Stalle angekommen
lässt Ulenspiegel Nachbars Hühner los,
die, Anfangs sehr benommen, aber dann,
sich streiten um des fremden Hahnes Schoss.

Dem ist dieses Lustgebären nicht geheuer,
er entfleucht aus dem Gemäuer
um im Nassen zu bemerken,
dass er nun, auf keinen Fall,
zurück in seine Hütte kann,
worauf im nächsten Augenblicke, er
genässt in Nachbars Bau entschwamm.

Nun, seit dem Tage an dem Till,
der sonderbare Streich entfiel,
seit dem Tage
sitzen Huhn und Hahn getrennt gesegnet,
wenn es aus himmlischen Gefilden regnet.




Ulenspiegels Begegnung mit einem lachenden Literaten

Ulenspiegel freute sich,
flanierte träumend, stolz des Weges,
als potzblitz aus der Böschung trat,
ein Literat mit einem Karren.

Knarrten auch die Räder des Gefährts,
so war der Bursche keiner von den Narren,
die nur auf Altes, Hergebrachtes starren,
Nein.
Er war eher von modernem Schlage
und vage, ich vermute es,
ein Gutbetagter ohne Klage,
ja obendrein noch war er kess.

Und Ulenspiegel wollt` gerade fragen,
wohin des Weges, guter Mann,
als dieser, wie mit einem scharfen Schwerte,
den Redeschwall von Till, mit einem Schlag zertrann.

Durch diesen Stoss ganz aufgebracht
war Ulenspiegel aufgewacht.
Lachen
kam dem Till entgegen.
Der wird rot und fragt verlegen:
„Warum lachst Du, lustiger Gesell`,
hat man Dir Stroh ins Hemd getan?“

„Ich lache weil ich nicht mehr länger,
von meinem Unterdrücker Untertan,
kann mich nun frei entfalten,
bin ganz und gar.
Bin ich!“

„So, bist Du dies?
Doch möchte ich höflichst hinterfragen,
mit welchem Taler willst Du wandern,
und welches Weib wird Deine Braut?
Und ist ein Literat wie Du nicht frei?“

„Frei?
Ach wie oft wollte ich so schreiben,
frei wie der Flug des Vogels durch die Luft.
Doch Zensur, Zensur, Zensur,
ist der heut`ge Welten Duft.
Drum musste ich mein Wort verstecken
und bieder mit gelog`nem Texte,
am Hinterteil des Zensors lecken.
Nun bin ich in der Tat,
ein freier Literat!“

Und Ulenspiegel sprach darauf:
„Komm mit, wir werden einen heben,
woll`n heute mal die Streiche lassen,
woll`n heute nicht mehr hassen sondern saufen!“

Und beide schritten lachend fort des Weges,
noch lange sah man sie da laufen.




Ulenspiegels Schiffreise

In einem Hafen hörte Till die Kunde,
dass bald ein Schiff zur fünften Stunde,
die Taue wirft, um anzulegen
und redliches Geschäft zu pflegen.

In schnellem Tempo läuft er an den Kai,
verliert beinahe seinen Gürtel;
und als des Grossmast Spitze sichtbar wird,
ertönt durchs ganze Havenviertel
ein lautes fröhliches Geschrei.

Schon sieht man singende Matrosen,
in blaugefärbten Streifenhosen,
die Segel der Pinasse reffen,
damit das Schiff in ruhiger Fahrt,
die Hafenmole nicht verfehlt, - kann treffen.

Und als das Reep herausgefiert,
der Käptn auf sein Mädchen stiert,
dem er die Treue hat geschworen
und das, neun Monde schon
mit einem Kind im Bauche harrt
und flehentlich nach Küssen giert.

Till Ulenspiegel war von dieser Szene,
in seiner Mannesbrust gerührt;
doch sah man aussen keine Miene,
an der man hätt` sein Innerstes gespürt.

Nachdem die holden in Umarmung lagen,
hörte Till den Käptn sagen:
„Bald schon muss ich wieder fort,
an einen weit entfernten Ort!“

Ulenspiegel fand es tragisch,
dass beide sich bald wieder trennen
und kam zu dem gewagten Schluss,
sich selbst nun Kapitän zu nennen.
Drum stellte er den beiden nach,
ins eheliche Schlafgemach.

Im Nu verschwanden alle Hüllen
und mit diesen alle Sorgen.
Till konnte seine Taschen füllen,
die schmucke Uniform sich borgen.

Jetzt galt`s für Till ganz schnell zu handeln,
in kurzer Zeit sich zu verwandeln
und irgendeinen Vorwand wählen;
damit die Mannschaft nichts vermutet,
ihr irgendeine Mär erzählen;
damit sie sich ein bisschen sputet,
um bald als möglich loszustechen.

Bestimmt, mit stolzer Miene im Gesicht,
betritt der Till das Handelsschiff
und ruft mit einem Mordsgeschrei
den Schiffsmatrosentrupp herbei.
„Ich bin der neue Kapitän,-
der alte wollt bei Kind und Kegel bleiben!
Wir werden alsbald sehen,
ob wir uns gut verstehen.“

„Kommt her und sehet hier die Karte;
keine von der normalen Sorte! ,-
nein diese hier erzählt vom Schatze,
der auf der Insel Sansibar,
von Piraten tief vergraben war.
Und wenn Ihr wollt, - ich kenn den Weg,
dann führ ich Euch zum Platze!“

Ein jeder auf dem Schiffe staunte
und alle riefen laut im Chore:
„Wir nehmen an Till Ulenspiegel!
Tretet hoch auf die Empore,
du sollst der Käptn sein, mit Siegel!“

Die Segel wurden flottgemacht,
der Anker hochgezogen
und schon, -wer hätte das gedacht?-
sah man das Schiff  in grossem Bogen
hinaus auf off`ne Meere ziehn.

Die Fahrt zum Eiland Sansibar
war weit und wie es damals war,
ermüdend und beschwerlich.
Doch Till der Käptn führt gekonnt.
Nach sieben langen Wochen; ehrlich,
war Land zu seh`n am Horizont.

Nun konnte Till den Plan,
ganz einfach war die Sache nicht,
zum gutdurchdachten Ende bringen.

Ulenspiegel machte sich zum Nutzen,
dass jeder der Matrosen,
die eignen Taschen füllen will.
Drum rief er höhnisch in die Menge:
„Haltet ein mit dem Gedränge,
ein Jeder seinen Anteil kriegt!
Jedoch zuvor lad` ich Euch ein,
auf Sansibar, zu rotem Wein“

Das gefiel der Mannschaft gut
und alle nahmen ihren Hut,
hinein ins Beiboot, schnell an Land.
Dort fanden sie auch gleich ein Nest,
indem es sich gut trinken lässt.

Gut sichtbar holte Ulenspiegel
die Karte aus der Tasche,
sodass der ganzen Meute;
das war seine Masche,
sprichwörterlich,
die Beute in die Augen fiel.

Dann lief er schnell zum Wirt,
gab ihm im Voraus schon die Zeche
und sprach mit vorgehalt`ner Hand:
„In mein Glas, schenk nur rotgefärbtes Wasser ein,
dann wirst Du im Nachhinein
noch ein paar Taler springen seh`n.
Die Karte geb` ich dir als Pfand.

Nun, so nahm die Sauferei,
ihren wohlverdienten Lauf.
Und auch Ulenspiegel, konnt`man meinen,
war gar heftig angetrunken.
Doch lieber Leser, Leserin,
ihr wisst,
es ist erlogen und erstunken.
Und da die lange Fahrt,
addiert mit Alkohol,
selbst trinkesfeste Mannen müde macht,
so dauerte es nicht mehr lange,
bis alle schliefen, schnarchten; sacht.

Till bedankte sich beim Wirt im Gehen,
bezahlte seine Schulden.
Die Karte gab er obendrauf gleich mit,
entfernte sich mit schnellem Schritt
und wurd`seitdem nie mehr gesehen.

 

Der wahre Kapitän derweilen,

erhielt mit seiner schönen Braut,
vom Pfarrer Gottes Ehesegen.-
Vorrausgesetzt man war zugegen,
hätt`man, mit zugekniffnem Auge
und reichlich Phantasie entdeckt,

wer sich da wohl,

unter des Pfaffens Rock versteckt!

 

 


Kladderadatsch

Kaltschnäuzige Kanzleibeamte konzentrieren sich um einen kahlgefressenen Kaffeebaum.

Kernlose Kilowattstunden treiben Konfusionskonjunktur in die Höhe.

Katastrophe in Klimaklinik. Kurzerhand kurgepfuscht.

Konfliktkontrolleur Kapitol gibt Konfettikonferenz für Klüngel-Klubs.

Kummerkunst kokettiert mit Kaimankadavern.


Korruptionskonsum und Kreditkartenkult kommt in die Kinderkästen.




Jenseits von Alledem

Jenseits von Alledem und Jederwesen sein,
um dann, im Strudel einer Nudelwelle
hinab ins rote Nass zu rutschen,
davon träum` ich Tag und Nacht.

In eine Suppe einzutauchen,
benetzt mit leichtem Übermut,
den ganzen Nebel aus mir rauszupusten,
von Meinesgleichen ausgelacht,
-nun gut.

Vielleicht auch das Besteck benützen,
das silberne, verpackt im Samtkarton,
um dann, in einer nächsten Runde,
mit meinen Fingern anzutatschen
was sich nicht ziehmt,
-so dann.

Auch gerne würd` ich reisen,
ins Land der buchtigen Furchen und Schluchten,
dem Grossen Canyon und den Fjorden gleich,
am Rand der Mangokiwiwälder joggen,
das wär ein wunderbarer Streich.

Jenseits von Alledem und doch so nah
auf all die Dinge sehen,
ein Jeder soll das Meinige verstehen,
Schlaraffenland im Supergaugebiet.

Doch halt;
das alles kann doch gar nicht sein!
-was solls, sei`s drum.
Dann hab ich halt geträumt,
hab` nichts versäumt,
nur Trug und Schein!




Ein neuer Text

Sitze hier, was soll ich schreiben nur?
Den vielgerühmten Weltensinn beschreiben?
Keine Spur!
Viel lieber sollen Worte fliessen,
die schnell und bündig
aus der Feder spriessen,
die Leser fesseln und
spitzfindig ihre Melodie entfalten.
Des öfteren gelingt mir dies
und oft muss erst mal Ruhe walten,
bevor ein neuer Text die Welt erblickt,
der dann, mit Freuden hoffentlich,
ins Auge des Betrachters rückt.




Innen
Innen mein
Innen min
Innen mein ist er
Innen min ist er
Innenminister




Verbogene Welt

kalbsschwalben in luftiger höhe
schwalbenkälber auf der heide
und schnucken die mücken schluckten
rückten in mein blickfeld
feldeinwärts wurden nummern geschoben
und oben lag diesmal drunter
gunther genoss den taumelig machenden alkohol
kolossal und doch fatal überwogen die brechenden wellen
an denen rudi zerschellte
später dann
wurde mit viel gezeter und stimmen im wind musiziert
rigoros nach bier gegiert
hier und dort hat es gehoppelt
das ganze gab`s auch
doppelt gemoppelt
und hin und wieder
schwebten des flieders entstammende gerüche
aus der küche ins zelt
verbogene welt.




Ein Wall umzäunt die Spur

Ortschaften werden verheizt,
währenddessen
traf ich mich mit Dir
an diesem nimmerlauen Tümpel.

Neben dem Rand einer Wurzel,
da standest plötzlich Du,
umnebelt mit Gedankestexten,
ein Wall umzäunt die Spur.

Meine Tränen schloteten den Mist
ans Deckenlicht.
Schicht im Schacht bei Dir
und Appetit von mir,
der deinen Busch abklopft.

Traurigkeit;
weil ich nicht sein darf,
plötzlich nicht mehr in Dir bin,
nicht sein darf, was ich einmal war
und wieder werden will: im Kopfe klar.

Derweil Tanz ich `nen Reigen,
um diesen nimmerlauen Tümpel,
drehe mich im Kreis,
und Du hast schon zurechtgelegt,
dass meine Kraft sich nicht mehr regt.
…entferne mich gebückt, ganz leis…




Makrelen

Mittwoch morgens wenn ich meinen Milchkaffee getrunken habe, ziehe ich den Mantel an und fahre mit dem Motorrad zum Museum. Vor dem monumentalen Matjesstilleben von Monet mache ich halt und meditiere. Minutenlang.
Gegen Mittag verspüre ich Magenknurren, verlasse das Museum, um mir eine Mahlzeit zu besorgen. Ich lasse das Motorrad stehen und marschiere zum Meer. Dort kaufe ich mir von einem Matrosen ein paar Makrelen, setze mich und mache Mittagspause. Später zünde ich die Meerschaumpfeife an, träume wieder von den Matjesheringen,- wie majestätisch. Wieder knurrt mein Magen.
Schade, dass Matjesheringe zur Mangelware mutiert sind. Melancholisch schreite ich durch den Matsch, zurück in meine Musterwohnung.




Wichtelmann

Einmal- es war in dunklem Tann-,
sah ich einen Wichtelmann.
Der Wichtelmann bemerkte mich
und blieb wie angewurzelt steh`n.
Auch ich konnt nicht mehr von der Stelle geh`n,
drum rief ich freundlich zu:
„Herr Wichtelmann, wo drückt der Schuh?“

„Ach, eigentlich geht es mir gut,
nur hatt` ich eben nicht den Mut
mich vor dir zu verstecken.
Denn Menschen dürfen nichts erblicken,
vom Reich des Wichtelkönigs Patuljak,
schon mancher Wichtel kam in einen Sack
und wurd` nie mehr geseh`n.
Du darfst von dem, du musst versteh`n,
nichts plaudern, nichts erzählen.
Sonst werden alle Wichtel in geraumer Zeit,
in allen Breiten fehlen.

„Nun gut, ich habe es verstanden,
nur in meinen Träumen sollst du wandeln.
Das muss mir genügen.
Drum will ich von dir weichen,
wollt` dich nicht betrügen, kleiner Wichtelmann,
nur Hände wollte ich dir reichen.
Bis irgendwann…
Im Traum, so dann…




Lorbeerblätter

Lorbeerblätter schwimmen im Gartenteich,
die Rosen sind welk.
Silberfische schnappen nach  Mücken,
in den Lücken der Steine sitzt eine gelbe Eiterdechse,
lauernd nach Futter für ihr Küken.
Da- direkt vor mir bewegt sich etwas,
nah an meinem Schuh.
Es ist der Wind!
Er weht mir um die Schuhe.
Mir wird kalt,
der Teich beginnt zuzufrieren.
Ich habe keine dabei…
keine Schlittschuhe dabei…




singt Gefieder

Schiefe Nase, spitzes Kinn,
kurze Rede, langer Sinn-
abgedunkelt wird gemunkelt,
dass ich tiefgesunken bin.

Und ich selbst in meinem Innern,
kann mich noch daran erinnern
wie es war, vor kurzer Zeit.
Als für mich die Rose blühte,
war mein Horizont noch weit.

Der ist nun hinweggeblasen
und ich tanze auf dem Rasen,
den ich selber hab gesät;
ich bemerkte viel zu spät.

Rechtfertigend muss man erklären,
dass ich in winterlichen Sphären,
in Depressionen fallen tu`.
Doch kommt der Frühling,
singt Gefieder,
dann geht’s mir wieder gut, im Nu!




Spitze Stiefel

Spitze Stiefel.
Ich seh sie überall
nicht gerne.
Gespitzter Damenschuh
und hinten ist ein überlanger Stöckel dran.
Viele können gar nicht laufen,
knicksen um.
Und and`re wiederum; na ja,
mehr schlecht als recht.
Doch würde ich in manchem Fall
ausnahmsweise Stilbruch treiben.
Und wenn die holde Sie
danach bei mir im Bette läge; still,
würd heimlich trennen ich
mit einer Säge,
was übersteht am Damenschuh!




Die Quedlinburger Quittenquellsalbe

Die Reise von Quebeq nach Quedlinburg war eine regelrechte Qual. Die Qualle, die ich mir in der Bucht von Quebec gefangen hatte wurde am Flughafen in Deutschland erst einmal unter Quarantäne gestellt. Ich musste mir ein Quartier suchen.
Die Quarzuhr im Hotel schlug neun mal, als ich an meinem Unterarm eine juckende Anschwellung, eine Quaddel, entdeckte. Wo, in Gottes Namen, sollte ich jetzt noch einen qualifizierten Arzt erreichen? Womöglich würde ich einem Quacksalber unter die Finger laufen. Nein, nein, lieber nicht! Ich versuchte den Juckreiz zu unterdrücken, der mich so quälte. Das war wohl die Quittung für mein unverantwortliches Einfangen einer Quebeqqualle!
Ich entschloss mich ein wenig durch Quedlinburg zu laufen, um auf andere, weniger qualvollere Gedanken zu kommen. Auf einem nahegelegenen Verkehrsknotenpunkt begegnete ich einem alten Quedlinburger. „Quo Vadis?“ rief er mir zu. Natürlich wusste ich nicht wohin ich eigentlich ging, also erzählte ich ihm verzweifelt von meiner Qual. Er gab mir den Rat, ich solle an die verwucherte Quelle rechts neben dem Querschiff der Kirche gehen, dort etwas Quellwasser entnehmen und vom alten Quittenbaum vis- à- vis eine Frucht pflücken.
Im Quartier angekommen quirlte ich mir eine echte Quedlinburger Quittenquellsalbe. Die Quintessenz war: Die Salbe half, die Quaddel war nach kurzer Zeit verschwunden!
Am darauffolgenden Tag konnte ich meine Qualle aus der Quarantänestation holen. Vor lauter Wiedersehensfreude fing die Qualle an zu quieken. Ich habe ihr ein Aquarium gebaut und füttere sie mit Kaulquappen. Seitdem haben wir keine Querelen mehr.




Alltagnachvielarbeitschulsachen

Nun ist es soweit.
Du wünschst mir eine schöne Zeit,
obschon die Zeit die wir verbracht,
noch hell in meinem Herzen lacht.
Obwohl ich noch; zwar nur `ne Woche,
mir Nudeln in der Küche koche
und neben Dir ins Bettchen schleiche.

Eigentlich waren`s nur die kleinen Dinge
die die Gemeinsamkeit zerbrachen:
Alltagnachvielarbeitschulsachen.
Schwer wird es sein,
solch gleichgesinnten Gegenpol zu finden;
den leeren Raum in mir zu überwinden.




Ich feiger Hund

Ich feiger Hund sitz` wiedermal
im Café, seelenruhig
und wart` geduldig bis das Schicksal
sich brechend über mich ergibt.
Ich feiger Hund, ich lese viel
von Ordnung, Disziplin und Mut;
denk dann von hier und dem
„ja das ist gut!“
und folg` im Kopfe aber nur dem Ziel.
Ich feiger Hund denk` nur an Flucht,
an „wird schon wieder geh`n!“.
Mich trifft`s einmal mit harter Wucht,
denn Trübsalblasen macht`s nicht schön!




Ziegenmilch hab` ich so gerne

Ziegenmilch hab` ich so gerne,
sie schmeckt genauso wie` s im Stalle riecht,
so streng und auch ein wenig bitter.
Ich seh` mich dann in weiter Ferne,
auf einem Ross, bin edler Ritter

Auch will ich mal auf allen Vieren,
Mongolenstutenmilch probieren.
Die soll ein wenig sauer sein.
Doch sitzt man dann
mit Dschingis Khan in einer Jurte,
muss man nicht frieren wie ein Schwein.

Wird mir ein Braten aufgetischt,
mit Kapern und Kroketten,
sag` ich nicht nein; vorausgesetzt
der Braten kommt von einem netten
Sch…af, dass vorher auf der Weide weilte.

Geschmack des Fremden einstudieren,
den Titicacasee fritieren,
ein Baumkuchen mit Hackfleisch-Gurken-Schichten.
Wie sonst soll ich der Welt berichten,
wie etwas auf der Zunge liegt?
Ich wüsst` schon gern genauer,
ob die Zitron`im Gaumen sauer
und Salzhering auch salzig schmeckt.




Chaotische Zustände

Gekränkte Beweise schleichen bewegungslos in den Polizeiakten umher. Marga, Philosoph ohne Arbeit. Hunderttausend rote Flecken strecken seine Lider nieder, der Schorf auf seinen Knien ist schon wieder aufgebrochen. Dieses Schwein darf nicht hinein, dachte er, man muss es kochen! Verlorene Träume, vierzig an der Zahl.
Schusterpech!
„Marga, beginne die Tür mit der Faust zu bearbeiten, das müsste funktionieren. Es kann sich nur um Sekunden handeln, dann steht der Krankenwagen vor der Tür.“ Stuhl neben dem Nachttisch, Tisch auf dem Bett, bedrückendes Schweigen unter der Decke. Er muss sie auf später vertrösten. „Kommen sie ruhig rein, rasantes Hühnergebein. Wir freuen uns sie wiederzusehen, das mit dem Essen müssen sie verstehen. Bezahlt ist es auch schon. Nehmen sie sich eins, zur Not auch drei.“
Da war kein Deckel drauf, modern und luftig, mit grossen Fenstern.
„Feierabend! Jetzt gibt’s erstmal globale Erwärmung.“ –„Sehr fein Putzi, aber da wird wohl nichts draus, ich muss noch bügeln. Ausserdem mag ich keine blassblauen Rauchsäulen.“
„Dein Schädel schlackert auf deinem Hals umher, ist irgendetwas nicht in Ordnung? Kann ich dir irgendwie helfen?“ „Du verdammter Idiot, mir auch noch dieses Stück auf den Hals zu setzen! Wir sitzen auf einem Pulverfass.“ „Ja, aber…das haben wir doch so gewollt.“ „Du redest wie ein drittklassiger Zeitungsbote.“ „Menschenskind, jetzt bleib aber auf dem Teppich!“ „Schwierigkeiten über Schwierigkeiten, du solltest uns eine Aus-Zeit gönnen.“ -„Ich packe!“ „Was ist denn in dich gefahren, warum so eigenartig?“




Man kann den Glanz nicht mehr erblicken…

Schlangen fangen,
nicht um die schlängelnden Windungen zu erblicken,
nein-, um sie auf Taschen zu sticken,
die dann in einem Nobelladen
am Faden,
für die Dämchen einer hohlen Geldeswelt zu neuem Glanz getrieben,
hängen.
Doch schlängelnde Windungen sieht man hier nicht mehr,
kann sich nicht entzücken,
kann den Glanz nicht mehr erblicken,
den diese Schlange einmal hatte.
Man nehme hierfür besser eine Ratte!




Raus

Raus muss ich.
An die frische Luft.
Telefongebimmel hält mich auf.
Denke nicht mehr dran.
Habe es vergessen.
Bleibe im Zimmer.
Schaue aus dem Fenster.
Schön ist die Welt!




Meine Qualle

Speziell in diesem Falle
fällt mir auf, dass meine Qualle
mit mir brüllt statt quillt.
Dieselbe wiederum wenn sie mich quält,
mir immer auf den Hintern zielt,
der mich dann juckt.
Muss mich dann kratzen und
am laufenden Bande
die Plätze wechseln.
Komplexes Geschehen!
Wer kann`s verstehen?
Doch hab ich mich mit ihr vertragen,
kann ich nicht klagen;
bis sie mich erneut am Hintern trifft,
der mich dann wieder jucken tut.




Vineta

Vielleicht haben viele schon mal von Vineta gehört, der verschollenen, versunkenen Stadt an der Ostseeküste?-
Ich,- mein Vorname ist Volker- und mein Vetter Valentin-, versuchten dieses Rätsel zu lösen.
Alles fing an, als Valentin unter der Veranda seines Vaters eine vergilbte Vedutenmalerei fand. Auf der verkehrten Seite entdeckten wir einen Vermerk eines venezianischen Vogelkäfigbauers, der uns verdutzen liess: - VIERZIG VOLIEREN VON VENEDIG NACH VINETA VERSCHIFFEN. VERSCHWIEGENHEIT VERLANGT. VORSICHT, VöGEL SIND VIRULENT !!! VINCENT VAN WEGEN –
Unsere Visagen verblichen, wir vermuteten was da in ferner Vergangenheit vorgefallen war. Wahrscheinlich wurde das Vesper der Vineter durch die Vögel vergiftet? Die ganze Stadt musste damals im Meer versenkt werden, um eine Virulenz zu verhindern. Aber welchen Platz nahmen vormals die vielgerühmten Venezianer ein? Wollten sie etwas vertuschen, was man ihnen verübeln könnte, wurde die Vormachtsstellung Vinetas zu gross oder verhielten sich die Venezianer verantwortungsbewusst? Weiss der Vatikan vielleicht, welcher Vitzliputzli dies verbrochen hatte? – Ihr könnt euch darauf verlassen, mein Vetter und ich werden uns diese verlogenen Vandalen vorknöpfen!




Die Mühle

Beständig pfeift die Mühle ihre Lieder,
in den Flügeln Wind, fürs Korn.
Ach wär` ich doch in einer and`ren,
in einer Mühlenzeit geborn.




Flandern

Nochmals möchte ich wandern
im schönen rauhen Lande Flandern,
bei Mondschein durch die Strassen gehen,
in fremder Menschen Fenster sehen,
die vielgerühmten Waffeln essen
und nie mehr den Geschmack vergessen.
Durch die Dünen Flanderns streifen,
wo die grünen Gräser reifen,
wo die Wogen sanft gebrochen,
deren Zeichnung scharf gestochen
von den Göttern an den Strand gespült.
Die See sich mit dem Land vermählt,
der Strand uns dann davon erzählt.




Peterchensmondfahrt

Selbst geräuspert, zum ersten Mal hab ich mich selbst geräuspert. Wer weiss, wohin so etwas führt? Nicht Ihr seid gemeint, Du! Dich meine ich zu kennen, denn Spülmaschinen spülen rein, so rein, wer weiss das schon. Kaum daheim angekommen fing alles an. Nichts. Garnichts. Von wegen dreimal runterschlucken und dann ist er weg. Es musste einfach reinpassen, in die Eimer und so, ja genau, die Eimer meine ich! Bald darauf wird alles anders. Es lohnt sich immer weiter zu weitern. Find` ich gutsoso.
Embrionen klonen find ich nun mal nicht gut, Europathologen klonen fänd ich besser. Verdächtigen Haarschnitt sollte er haben, so ein Europa-tologe und tierexperimentiell sollte da auch was gehen. Den kann man dann niemandem vorwerfen, diesen Wertever-fall. Ein kein schöner Fall. Im Falle eines Falles? Alles!
HaHaHaHaHa ihr habt mich reingelegt, eingelegt, Geleebeleg für das was ich getan hab, immer und anderswo auch. HoHoHoHo, neunzig Minuten sind jetzt um, Union gewinnt den Heldenruhm. Nun singet und seid froh!
Eiskalte Milch in den Schlund gegossen, macht nix, ist ja gedingst. Trommel:“bumm bumm“. Jaja, bummbumm ist gedingst. Vielleicht klappt`s wenn die Nagelschere vorbeischaut, vorausgesetzt sie findet den Weg aus dem Haufen. Weiss der Geier? Der Klopfer könnte es wissen, er ist soeben wieder da. Oder Schlachters Nickel mit der Brille. Von wem ist das kleine Gelbe? Von Mai Lin? Hongkongware bei uns in der WG?




ohne Schnörkel

Schnippisch, ohne Schnörkel, überreichte man mir die Sodaseife.
Ich lächelte um die Situation nicht zu überspitzen und
übergab mein zuvor bereitetes Präsent.




Im Selbstbedienungsrestaurant gehustet

Ich hole mir meinen Kaffee, ein kaltes Getränk und einen Croissant, bezahle an der Kasse und setze mich an einen Tisch in der Ecke. Zwei Zuckerpäckchen werden geöffnet und rieseln in das noch schwarz gefärbte Wasser. Ich giesse Milch hinzu. Gemächlich,- ich bin ein „im Uhrzeigersinn-Rührer“, drehe ich den Löffel in der Tasse. Bewusst und vertieft mache ich das, bis der Zucker mit dem Kaffeewasser eine Verbindung eingegangen ist. Dann greife ich zur Tüte neben mir und ziehe die zuvor erworbene Lektüre heraus, löse das sie umschlingende Gummiband, schlage auf, zünde mir eine Zigarette an und fange an zu lesen. Hin und wieder greife ich zur Tasse, nehme einen Schluck und beisse in den Croissant.
Neben mir hat eine alte Dame Platz genommen. Sie gibt sich ebenso dem Genuss des schwarzen Wassers hin. Ich muss husten.
Die Dame reagiert darauf, erkundigt sich nach meiner Gesundheit. Ich versichere ihr, dass der Ursprung meines Räusperns keiner Erkältung entstammt, sondern vom Rauchen herrührt. Die Dame nickt verständig und zündet sich auch eine Zigarette an. Sie erzählt mir von ihrer Herzoperation und dass sie nun nur noch ganz leichte Zigaretten rauchen würde, ihr Arzt habe die Starken verboten. Ich nicke nur, höre aber aufmerksam zu. Von der Herzgeschichte kommt sie auf ihr kaputtes Hüftgelenk zu sprechen. Dann schweift die alte Dame vom Thema ab. Sie spricht von ihrem jüngsten Sohn der bei einem Autounfall ums Leben kam, greift in ihre Handtasche, zieht aus der Geldbörse ein altes vergilbtes Foto heraus und zeigt es mir. Ihr Mann verstarb wenige Wochen später, überfahren von einem Lastkraftwagen.
Die Stimme der alten Frau, Mutter, Witwe, - die Stimme der alten Frau klingt schicksalsergeben.
Wieder greift sie in ihre Tasche und präsentiert mir stolz eine Visitenkarte. Die Karte ist von ihrem einzig gebliebenen Sohn. Er hat ein Architekturbüro. Ich nicke wieder, bin sichtlich überrascht, ein wenig durcheinander und erregt darüber, dass diese Dame mir so viel Vertrauen entgegenbringt, mir einen Teil ihres langen Lebens, eine Geschichte erzählt. Ich lächele sie an, versuche mich wieder meiner Zeitung zu widmen. Kaum habe ich mich in einen Text vertieft, steht ein Mann am Tisch der alten Dame. Es ist ihr Sohn. Architekt. Er stellt die für seine Mutter getätigten Einkäufe auf den Boden und setzt sich zu ihr. Sie macht uns bekannt und berichtet ihm mit Freuden von unserem Gespräch. Der Mann schaut mich beschämt an, sichtbar peinlich scheint ihm die von seiner Mutter angeregte Unterhaltung zu sein. Entschuldigende Blicke, Augenrollen.
Ich zünde mir eine Zigarette an, nippe am Kaltgetränk und huste.



Geschubst fall` ich auf schwarzem Teer

Kann gar nicht glauben, was ich sehe,
was ich kucke.
Wie Drei-Komponenten-Kleber, zähe,
kommt sie mir hoch, gelegentlich,
die Spucke!
Es kann nicht sein,
denke, ich träume nur.
Doch Nein-, geschubst fall` ich auf schwarzem Teer,
bin aber wach!
Sie laufen maskenhaft in einer Spur,
gehetzt, konsumgebeutelt schwer,
es werden täglich, stündlich immer mehr.




Mäzen gesucht

Wer sucht ihn nicht?: den Kunstfreund, den freigiebigen Gönner, den sogenannten Mäzen? Wer von uns Künstlern würde nicht gern mäzenatisch betreut werden?-
Doch wo kann man heute noch in den Genuss dieses idealistischen Menschentyps kommen?
Es muss kein dem Mammon zugetaner Manager sein,- nein es genügt auch ein einfacher Manifestant oder eine schlichte Mamsell! Was man brauchen könnte ist gewiss kein Manipulant. Eher eine kritische Begleitung auf dem Weg zum Zenit.
Sollte Ihrerseits Interesse bestehen mir eine, wie auch immer geArtete mäzenatische Betreuung zukommen zu lassen, melden Sie sich bitte bei mir. Im Voraus besten Dank!


 

Ein letztes Schnippchen

Die launische Zukunft ist
voll von altertümlichem Geheimnis,
noch frisch und weiss,
lieblich duftend,
wie ein Gespenst
in einer wärmlichen Finsternis.
Die Hoffnung,
der Zukunft
gegenwärtig noch ein letztes Schnippchen zu schlagen,
ist mit diesem Augenblick
vergangen.




Polnisches Porzellan

Wie jedes Jahr an Pfingsten holt Piotr seine Porzellanscherbensammlung aus dem Pavillon, um sie zu putzen. Penibel portionierte Prachtexemplare, welche er schon als Pennäler an Polterabenden in seine Pantalontaschen packte, präsentieren sich dann vor ihm. Porös anmutende,- eher aus Pappmaché geformte, aber auch Porzellanscherben, deren Oberfläche mit Phantasie an poliertes Panzerglas einer Politkarosse erinnern, betrachtet Piotr mit seinem possierlich prüfenden Blick. Jeder noch so kleinen Pore rückt Piotr praktisch auf die Pelle.
In einer von Piotr geputzten Porzellanscherbe spiegeln sich die Primärstrahlen der Pfingstsonne wider. Die Porzellanscherbensammlung von Piotr kennt man von Panarabien bis Puritanien, sie erfreut sich einer so grossen Popularität, dass sich diesen Pfingstsonntag sogar der Papst persönlich angekündigt hat.
Und so pulsiert das Blut von Piotr diesmal noch stärker, seine Pupillen sind putzmunter, paradehaft pult er im Porzellan um das Profane zu verwischen.




Momentaufnahme aus dem Leben eines Mannes mittleren Alters

Ein Mann mittleren Alters schleicht, mit einer Plastiktüte an der rechten Hand, zwischen den parkenden Autos umher. Viele Menschen, die von ihren Winterschlussrabatteinkäufen kommen, in dicke Jacken gehüllt, ziehen mit solchen Plastiktüten durch die Stadt.
Die Tüte des Mannes mittleren Alters scheint etwas zu verbergen, sie ist nicht wie die anderen Tüten. Sie schlendert nicht unbekümmert zwischen den Fingern, hat keinen im Kaufrausch erworbenen „vielleicht-kann-ich-das-mal-gebrauchen-war-ja-günstig“- Inhalt. Nein, die Tüte des Mannes mittleren Alters stinkt, ich kann es riechen bis in mein Auto hinein, sie stinkt.
Die Blicke des Mannes mittleren Alters sind suchende Blicke, schüchtern verstohlene, schamerrötende Blicke. Sie forsten scheinbar oberflächlich, gründlich jeden Quadratzentimeter der Umgebung durch. Die vorbeiziehenden Menschen nehmen keine Notiz davon.
An einem Glascontainer bückt er sich. Seine Augen haben etwas ausgemacht. Er nimmt eine davorliegende Braunglasbierflasche mit der linken Hand vom Boden auf, entleert die darin enthaltene Restflüssigkeit und steckt sie in die Plastiktüte.
Nein, die Tüte stinkt jetzt nicht mehr, ich kann es riechen, bis in mein Auto hinein, sie stinkt nicht mehr. Aus ihr strömt plötzlich Wohlgeruch; Geruch vom kleinen Lebensglück eines Mannes mittleren Alters.




„Non vitae sed scholae discimus“ oder „Mit dem Notizblock zum Nordpolarkreis“

1. Kapitel – Zuhause ist`s am schönsten?

Ich nuckele nunmehr schon neun Nächte an meinem Nachtschattengewächs herum, nackt, niemand kann nachempfinden wie Mann sich da fühlt. Zweitausend nach Christi Geburt, neuvermählt, die nigelnagelneue Nirosta-Spüle, die ich mir von meinem Nebenerwerb geleistet habe noch nicht installiert. Im Nebenraum der Nachwuchs, in der Nase popelnd. Meine Nymphe haben sie Hinter Gitter gebracht, das heisst, sie hat irgendwelche Nachzahlungen nicht erbracht. Wie? Hätte ich einspringen müssen?- Da hört auch bei mir die Nächstenliebe auf oder soll ich hier etwa ohne Nachtisch versauern?
Die Nacktfrösche springen auf dem stapelnden Geschirr umher, der Napf auf dem Nachttisch schwappt über vor Nikotinstummeln. Niemals nicht mehr nüchtern sein. Ich sollte die Narrenfreiheit nutzen, niveauvolles Nichtstun, nihilistisch nisten, Nutzeffekt gleich null, einfach faul sein. Bloss keinen Nervenzusammenbruch, noch nicht, bin ja nun Neugeborener im alten Land, bin mein eigener Herr. Nein!
Nebenan nationaldemokratische Nachbarsnarren, notorisch, nudeldumm, dieser ganze Neonazinebel geht mir auf die Nerven. Sollte mich vielleicht nomadisieren, mir den letzten Notgroschen schnappen. Jetzt oder Nie! Hierzulande muss man selbst anpacken, muss man zupacken, einpacken. Heureka! Ich tue es.
Hemdsärmelig schnüre ich ein paar Utensilien für die Reise zusammen: Hemmingway, einige Dosen Hausmannskost. Die Nachtschattenpflanze? Nein, lieber die getrockneten Pilze aus dem Wunderland. Im Kinderzimmer immer noch Popelgeräusche.- Oh armes Hascherl, dich werd` ich wohl beim Nachbarn abgeben, vielleicht erweicht sein Herz. Bei diesem dackeltreuen Blick würd` mich das nicht wundern. Heimaterde ich sag` dir Ade, kein Hirngespinst- ich fahr` zur See!

2. Kapitel – Unterwegsgelächter

Von jeglichem Ballast befreit, stolziere ich durch die Stadt, urkomisch erscheinen mir die Gesichter der Passanten, ich muss lachen, ungeniert stehe ich auf dem Bahnhofsvorplatz und lache. Die Leute schicken mir todbringende Blicke, ich lache weiter, lache sie aus.
Dann schlendere ich zum Fahrkartenschalter, verlange feixend eine Fahrkarte nach Sumatra. Der Bahnbeamte- oder heisst das jetzt anders?- schaut mich ungläubig an. Ich berichtige und löse ein Regionalticket in die nächstgrössere Stadt, sozusagen eine Etappenkarte auf dem Weg zum Ziel.
Es ist noch Zeit bis zur Abfahrt meines Zuges; also entschliesse ich mich zu einem Treffen mit einer Gerstenkaltschale in der Bahnhofspinte. Da sitzen sie. Da sind alle Trunkenbolde beisammen, diese Bringmireinbierseiruhigichwillfussballkucken- Sager. Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen, Oh Gott!! Schnell schütte ich mein Bier den Schlund hinunter, ich halte es hier nicht mehr aus. Der Wirtin wird Tribut gezollt, die muss was aushalten. Sie hat es sicher so gewollt.
Auf dem Bahnsteig tummelt sich eine Gruppe Schulkinder auf Klassenfahrt. Die Lehrerin wie ein Sturmbandführer militärisch zur Ordnung rufend, jedoch ohne Erfolg. Noch drei Minuten bis zur planmässigen Abfahrt, stecke mir noch eine Zigarette an, genehmige mir ein Eckchen von den Pilzen aus der Tüte. Psychedelisch lange, diese drei Minuten…
Endlich, der Zug, rot mit weissen Punkten oder so, fährt ein. Ich setze mich zusammen mit der Schulklasse in ein Abteil, versuche Blickkontakt zur verbohrten Lehrbeauftragten aufzubauen. Anlächeln und die Pupillen verdrehen. Beschämend schaut sie weg, die Kinder äffen mich nach. – Was meiner wohl so treibt? Vielleicht hat er die Wand des Nachbarn schon mit Anarchosymbolen beschmiert, das kann er nämlich schon aus dem Effeff.- Ich biete der Lehrerin ein Stück von meinen Pilzen an, sie lehnt misstrauisch ab. Schade, wäre bestimmt lustig geworden. Die Fahrt hätte sie ihr ganzes Leben nicht vergessen.
An der nächsten Station steige ich aus, will nicht bis ins schleswig`sche Holstein fahren, Hamburg tuts auch!- Ach diese Luft, hier gibt’s nichts zu pimpeln, geschweige denn zu pampeln. Bin ja auch kein Pimpelpampel.- Sofort löse ich ein Schwarzfahrticket nach Cuxhaven, wollen doch mal sehen, ob es was zum anheuern gibt. Die Menschen scheinen viel freundlicher als in der Provinz, besonders dieser lächelnde Mann vier Reihen hinter mir. Oh Scheisse, der sieht aus wie ein Fahrkartenkontrolleur, ich werde die nächste Station lieber aussteigen! Geschafft! So ein Mist, jetzt bin ich in Buxtehude. Verwurzelt stehe ich jetzt hier, hab mich verzettelt. Wütend schaue ich auf die Wandkritzeleien am Haus gegenüber: „Türken raus“ und „Skinpower“. Es müsste denke ich „Türen raus“ und „Skinpowder“ heissen. Mit dem Daumen könnte ich es noch schaffen, werde mir ein CUX-Schild kritzeln.
Schon nach sage und schreibe zehn Minuten hält jemand: ein arroganter Schnösel. Nein, ich lehne ab. Ich nehm doch nicht gleich den Erstbesten! Weitere dreissig Minuten vergehen. Der Nächste. Mal sehen was der…, nein halt, diesmal ist es eine Sie. Nicht sehr hübsch, etwa sechsundvierzig, aber ich fahre mit, wegen der Sommersprossen. Ich frage sie indiskret, ob sie in Cuxhaven wohnt und ob ich vielleicht diskret einen Kaffee bekommen könne. Sie lächelt mich an, ich lächele zurück; muss an die Lehrerin aus dem Zug denken, diesmal ohne Pupillenverdrillen.
Soeben fahren wir in den kopfsteingepflasterten Hof. Schön hier! So habe ich mir Cuxhaven in meinen kühnsten Träumen vorgestellt!
„Machen sie es sich bequem, ich koche jetzt den Kaffee“. Mit Zigarette im Mund überprüfe ich meinen Körperbau, streiche mir eitel die Haare zurecht. Als ich den Kaffee an meine Lippen setze wird es mucksmäuschenstill. Gespannt schaut sie mir ins Gesicht, mein hartes aber faires Urteil erwartend. „Muckefuck“, ich mache eine kurze Pause, „Muckefuck ist es bestimmt nicht! Ich habe noch nie einen so guten Kaffee genossen!“ Wir stimmen ein „In dulci jubilo“ an.
Mir fällt auf, dass ich mich eingeengt fühle, kommt mir fast schon heimelig vor. Heimlich schleiche ich mich zur Tür hinaus, hinein in die Freiheit.


3. Kapitel – Piratennest und Rüdiger

Am Hafen begegne ich einem hektisch umherfuchtelnden Mann mit Hund, hätte ihn beinahe übersehen, gegenüber steht eine hektisch umherfuchtelnde Frau mit Kind. Was hat das Eine mit dem Anderen zu tun? Nun gut, schwamm drüber, jedenfalls ist der Kopf dicker als der Hals; sage mir immer: nimm die Leute halt so wie sie sind und nicht so wie sie sein wollen.
Während die Sonne langsam dicht macht, begebe ich mich ins Gasthaus Anker. Ich habe genug Piratenfilme gesehen und weiss, wie ich mich dementsprechend in einem solchen Haus zu verhalten habe. Kaum trete ich über die Türschwelle, blicken mich auch schon düstere Augenpaare an, den Dolch zwischen den Zähnen. Bedrückend still ist`s plötzlich. Ratzefatz, ohne mit der Wimper zu zucken springe ich an die Theke, jetzt noch den Barhocker entern, rufe: „die nächste Runde geht auf mich!“ Die Spannung im Raum legt sich, sie jubeln mir zu: „Setz dich zu uns, Du bist der richtige Mann!“- Ich kann es nicht fassen, auf einmal bin ich der King, ohne einen Penny in der Tasche. „Was machst Du hier? Siehst ja nicht gerade aus als wärst Du eine Wasserratte, hahahahohoho!“-„Ich spiele mit dem Gedanken, den Nordpolarkreis zu durchforsten.“-„Hahahahohoho, da wird’s Dich aber frosteln!“-„Das geht Euch gar nichts an, was erlaubt ihr Euch eigentlich? Aber nur so nebenbei im Insgeheimen: Wo kann ich anheuern?“ Kaum habe ich meine Frage gestellt, scheinen alle wieder mit sich selbst beschäftigt zu sein, ein Grölen und Durcheinandergerede, als ob vorhin keiner Notiz von mir genommen hat. Ein Kapitänsuniformierter Dreikäsehoch holt mich gar so plötzlich beim Schopfe und zieht mich in die hinterste Ecke. „Du hast Mut, ich will Dich nicht enttäuschen, auch wenn Du mir nicht gerade seetauglich erscheinst, Dein Blick gefällt mir! Komm morgen wenn die Glocke zur späten Stunde läutet hierher. Wir nehmen Dich dann mit. Denke dran, wenn wir draussen auf dem Meer sind gibt es kein Zurück, es ist Deine Entscheidung.“ Ich schlendere wieder zur Theke. An die Rechnung denkend, signalisiere ich ein sogenanntes „ist mir übel, ich brauche dringend frische Luft“ und mache mich blitzschnell aus dem Staub, um am Selbigen nicht zu ersticken. Jetzt würde ich gern sehen, wie dumm die Fischköppe aus der Wäsche schauen.
Für diese Nacht werde ich wohl unter eine Brücke schlupfen- jetzt schon einen Schnupfen?- Nein, das kann ich mir nicht leisten, habe extra einen dicken Schlafsack eingepackt. Morgen früh werde ich mir eine Ausrüstung besorgen; warum nicht bei Rüdiger, der ist doch Bäcker und Brötchen brauch` ich auch. Während ich schlafe träume ich von meiner neuen Ausrüstung.

Als ich am nächsten Morgen die Bäckerei betrete, werde ich vom bezaubernden Duft warmer Semmeln umgarnt, zwei echte Nehberge schauen mich mit spitzen Gipfeln an. Die Frage ob Rüdiger schon von seinem letzten Abenteuerurlaub zurückgekehrt ist, erübrigt sich. Soeben ist er durch die Tür, beinahe hätte ich ihn getroffen. Seine Frau, die mit den Nehbergen bittet mich herein.
Da stehe ich nun vor Rüdigers Boot mit dem er über den Atlantik getreten ist, jetzt zum Wandschrank umfunktioniert; wenn das die Yanomami wüssten, würden ihre Giftpfeile in Erscheinung treten, dann hätte es kein Bananenmus mit Totenasche gegeben! Eigentlich wollte ich gleich zum Geschäftlichen kommen, doch Frau Nehberg sieht mich mit nymphomanischem Blick an. Oh Rüdi, was hast du bloss angerichtet?! Die Ausrüstung will sie mir später zeigen, erst einmal  soll ich ihre Nehberge erkunden.
Behutsam taste ich mich am unteren Rand entlang vor, überdenke noch einmal meine Position, versuche mich zu konzentrieren. Ja, seufz, nichts in aller Welt ist umsonst, da musst du durch! Runter vom Gipfel hinein in den Wald, subtropisches Klima, prima! Endlich, es ist geschafft. Ein Beben lässt die Landschaft erzittern.
Jetzt funkelt mir die Ausrüstung entgegen. Ich schnalle sie mir auf den Buckel, ziehe ab, nicht ohne mir ein Dutzend Semmeln einpacken zu lassen. Beim Herausgehen höre ich aus ihrem Munde ein entspanntes „Daaanke!“.
In aller Ruhe setze ich mich auf eine Parkbank, denke über das Angebot des Kapitäns nach, esse ein paar Pilze aus der Tüte und verfüttere die Semmeln an die Tauben.



4. Kapitel – Kojenbesichtigung zu später Stunde

Ich bin auf der Parkbank irgendwie eingeschlafen, wache auf, als sich eine Möwe an meiner Pilztüte zu schaffen macht. Na warte, denke ich, die wirst du dir nicht unter den Schnabel reissen! Ich brülle sie an: „Ruckzuckgibzickzackherzerrdrückdiepilzenicht“. Die Möwe lässt ab von den Pilzen, schaut mich aber ganz verwundert an.
Da die Zeit nun reif ist, mache ich mich auf den Weg zum Gasthaus Anker. Dort stehen auch schon die Matrosen und winken mir zu. „Da bist Du ja! Hast die Rechnung nicht bezahlt, na die kannst Du ja abarbeiten!“- Ich stottere „Ja,ja, ababarbeiten.“ Während des Weges zum Schiff singen wir: „Fährt ein weisses Schiff nach Hong Kong“. Das herausgeführte Reep sieht nicht gerade einladend aus, ganz schön glitschig und morsch. Kaum mit einem Fuss auf Deck, kommt mir schon der Kapitän entgegen, streckt die Hand aus zum Schlag. Automatisch halte ich die meinige auch hin, ziehe sie aber aus irgendeinem Grund schnell zurück und winke. Der Käptn schaut ein wenig grimmig, lächelt mir dann aber doch zu und sagt „du wirst das auch noch lernen, main Jong…dann werden wir mal deine Koje bekucken…“
Die sogenannte Koje entpuppte sich als doppelte Besenkammer. Ich werde sie KKK nennen. Nein- das hat nichts mit der Zigarettenmarke zu tun, die mit Cowboys wirbt und angeblich gemeinsame Sache mit dunklen Kuttenträgern macht!- KKK steht bei mir für Kleine Konokokken Kammer. Nun gut, ich werde mich damit abfinden, schliesslich gibt es Schlimmeres. Die Ausrüstung hat hier keinen Platz, sie kommt in den Laderaum, damit die Ratten auch etwas zu bestaunen haben.
Plötzlich gibt es einen Ruck. Der schwere Schiffsdiesel springt an. Die Fahrt geht los. Ich mache es mir auf der Pritsche bequem, so gut es geht, und döse vor mich hin. Mein Magen knurrt. Mit Knurren im Bauch lässt sich nicht gut schlafen und so mache ich mich aufs Deck, um das Schiff ein bisschen genauer kennenzulernen und nebenbei noch etwas Essbares aufzutreiben.
Es ist schon dunkel. In weiter Ferne oder in ferner Weite, je nach dem wie man kuckt, sieht man den beleuchteten Cux-Hafen. Die spärlich aufgehängten Petroleumleuchten auf dem Deck, lassen mich wenigstens die vielen Luken erkennen. Jaja- da kann man reinplumsen und dann- bei einer falschen Luke ist man fort; weggespült!
Meine Nase hat etwas Essbares erfasst, dort hinten Steuerbord-Heck-Seite. Da sitzen Dieter und Thomas; sie spielen Pyramide. „Setz Dich zu uns, Du siehst hungrig aus. Wir haben noch ein paar Kuddelflecke übrig, hier- nimm und iss!“ (höre ich da ein Igittigitt beim Leser oder bei der Leserin?- Mir schmeckt es jedenfalls und das ist doch wohl das Wichtigste!) Nach diesem Festschmaus; es wurde auch noch Rum ausgeschenkt, gehe ich in meine KKK, um dem anstrengenden Tag endlich ein Ende zu setzen.



5. Kapitel – Das Kattegattmonster

Wir sind jetzt schon einige Tage unterwegs, der Diesel lullt mich ein. Schon noch ein gutes Stück bis zum Nordpolarkreis. Standpunkt, oder sagen wir lieber Schwimmpunkt unseres Schiffes: Nach Auskunft des Kapitäns: Kattegatt. Ich habe keine Ahnung von was der spricht, also ziehe ich mein Grosses Universallexikon zu Rate. Dort steht:
Kattegatt, das, Randmeer zw. Nordjütland und Südschweden; ein nacheiszeitlich untergetauchtes Festlandstück; rd. 28000km3, 143m tief. Wichtige Schifffahrtsstrasse; bildet mit→Skagerrak und→Sund die Durchfahrt von der Nord- in die Ostsee.
Das klingt ja aufregend, nacheiszeitlich untergetaucht!
Ich lehne mich über die Rehling und starre auf das ruhige aber tiefschwarze Meer. Da!- Ein riesiges, pechschwarzgrünes, glitschiges Monster taucht aus den Fluten auf. Oh Kattegatt, äh…a ja…oh Gottohgott! Wilde Gedanken schwirren in meinem Kopf umher; eine Tätowierung habe ich, ob die reicht? Es gibt keine Alternative, ich muss es tun! Schnell renne ich zur Ladeluke, steige hinunter und suche hektisch nach meiner Ausrüstung. Frau Nehberg hatte mir nämlich auch Rüdigers Taschenteleskopharpune eingepackt; für alle Fälle, sagte sie.- Da ist sie ja. In Windeseile hetze ich wie vom Scheitan gepackt an Deck. Es ist noch da, das Monster hat auf mich gewartet. Es schnaubt und als ich es vollends erblicke, wird mir klar, mit wem ich mich da anlegen will. Das wird kein Zuckerschlecken! Hier ist echte Siegfriedsmut gefragt. Das Kattegattmonster hat drei Buckel, sein Kopf sieht aus wie eine unter dem Elektronenmikroskop vergrösserte Teppichwanze und der Schwanz ist ein Tentakelschwanz!
Akribisch pule ich die Taschenteleskopharpune auseinander, greife mir ein Eckchen von den Pilzen; das kann jetzt nicht schaden! und setze an zum Todesstoß.
Doch eine Hand klopft mir auf die Schulter und es spricht jemand mit sanfter Stimme auf mich ein: „Aufstehen, es ist schon spät, Du musst Dich sputen!“ Der Kapitän? Wie… Was… Ja, es ist der Kapitän, aber nicht der vom Schiff.
Aus der Traum von der Narrenfreiheit, keine Nehberge, kein Nordpolarkreis, keine Taschenteleskopharpune, kein Nichts aber auch!!! Es tut mir wirklich leid, hätte gerne weitergefaselt. Bin aber schon spät dran; muss zur Arbeit…meine Schüler warten schon!




Zwetschgensaft mit Zwieback

Es war zappenduster, als ich zähneknirschend die Zange hervorzog, um dem Streit ein Ende zu bereiten. Zögerlich, jedoch keineswegs zimperlich setzte ich die Zange an, bereit den Zwist zu zertrennen. Im Zickzackkurs, vorbei an der Zimmerlinde, traf ich den zwiespältigen Zyklop am Kopf. Der Zyklop erzürnte, sein Zinken färbte sich zinnoberrot. Zugleich lächelte ich ihn zugetan an, um ihn zur Ruhe zu bringen. Wie ein Zinnsoldat stand er nun da, hilflos, gezwungen, den Zweifrontenkrieg zu beenden.
Ich bot ihm etwas Zimt an. Er zögerte.
Nur ein wenig Zeit verging und der Zyklop verhielt sich wie ein zahmes Zebra. Er gab zu, dass er sich wie ein alter Zankapfel verhalten habe und dass man sich doch irgendwie zusammenraufen müsste. Mit einem Zentaur hätte er mich verwechselt und dann die Kontrolle über sein sonst so zärtliches Wesen verloren.
Inzwischen hatten sich einige Zuschauer um uns versammelt. Zur Wiedergutmachung lud der Zyklop mich zu Zwetschgensaft mit Zwieback ein.
Zur Zeit sind wir auf Zimmersuche, sind unzertrennliche Zwillinge geworden.